How much is a human? Oder zu deutsch: Wie viel kostet ein Menschenleben?

50.000 Dollar (37.700 Euro) – das scheint die Antwort der US-Amerikaner zu sein. Das gilt sowohl für Kinder als auch für Erwachsene, für Frauen als auch für Männer gleichermaßen. Die Summe wird lediglich dann ausgezahlt, wenn ein Zivilist tatsächlich tot ist – für Verletzte gilt eine Sonderregelung: zur Zeit 11.000 Dollar pro Person. Die Kosten beziehen sich vorerst nur auf afghanische Bürger. Wie es um Zivilisten anderer Nationalitäten steht, ist (noch?) nicht bekannt. Vielleicht ist das eine unverbindliche Preisempfehlung seitens der US-Amerikaner. Wer weiß das schon so genau?

So oder so ähnlich hat es sich womöglich abgespielt, als es um die Entschädigung für den Amoklauf des US-Soldaten Robert Bales im Süden Afghanistans (Najib Yan) ging. Nach Angaben von Spiegel-Online (s. Link) haben die USA am Samstag an die Verbliebenen der Opfer die oben genannten Summen gezahlt. Als Quelle gibt die Redaktion ein Mitglied des Provinzrats von Kandahar an, Agha Lalai.

Am 11. März erschoss der amerikanische Stabsunteroffizier 17 Zivilisten, darunter neun Kinder und acht Erwachsene. Sechs weitere Menschen wurden verletzt. Bales kam ins Gefängnis, ihm droht eine lebenslange Freiheitsstrafe, unter Umständen die Todesstrafe. Die US-Militärjustiz klagte den 38-jährigen in mehreren Punkten an, u.a. wegen Mordes, versuchten Mordes und Angriffs. Der Prozess wird allem Anschein nach in den Vereinigten Staaten erfolgen. Der Amoklauf spielte sich zwar in Afghanistan ab, Bales allerdings ist amerikanischer Staatsbürger – Grund genug für die Weltmacht, selbst für die Bestrafung Bales’ zu sorgen.

Da sieht sich die selbsternannte World Police wohl immer noch am liebsten: beim Richten über Menschen. Und neuerdings auch beim Gewichten von dem Wert ihrer Existenz. Was sich in der Debatte um Guantánamo unterschwellig gezeigt hat, scheint nun offensichtlich: die amerikanische Regierung handelt wenig moralisch im Umgang mit Menschen. Dafür umso kapitalistischer: Alles scheint man mit Geld aufwiegen zu können – im Notfall auch human beings.

Neben der Frage, wie die Amerikaner diesen Betrag errechnet haben, bleibt auch die Intention hinter der finanziellen Entschädigung offen. Ein Zeichen der Macht gegenüber dem Nahen Osten (und der Welt)? Als Schweigegeld für mögliche Hinweise, Ermittlungen und somit – für die Amerikaner – unangenehme Folgen? Oder tatsächlich als Zugeständnis seitens der USA, dass ihnen ein (afghanisches) Kind gerade einmal 50.000 Dollar wert ist?

Vielleicht sollte man es aber nicht so dramatisch sehen. Vielleicht wollten die Amerikaner durch eine, gemessen an den Lebensverhältnissen in dem Dorf Najib Yan, hohe Summe wenigstens die Lebensverhältnisse der Verbliebenen aufbessern. Als Wiedergutmachung  für den Amoklauf eines amerikanischen Soldaten in einem Land, in dem die USA Krieg führen. Mit Soldaten, die nach Angaben der Armee unter Ehe-, Alkohol- oder Geldproblemen leiden, gestresst und traumatisiert sind von Einsätzen im Irak-Krieg und nun auch von Afghanistan-Einsätzen.

Ein furchteinflößendes Bild, was sich nun in den Medien verbreitet. Von einem halben Kontinent, der 50 Bundesstaaten umfasst und sich selbst als Weltmacht sieht.

Doch will der Rest der Welt tatsächlich jemanden an der Spitze sehen, der sich sein Ansehen zu kaufen versucht, Macht über Moral setzt und für den eigenen Präsidentschaftswahlkampf mehr Geld ausgibt als für ein Menschenleben? Vielleicht sollten  die Amerikaner weniger Zeit mit Krieg verbringen und sich mehr Zeit für’s Angeln nehmen. Denn wie heißt es so schön: „Angeln ist ein großartiger Anschauungsunterricht für die Gleichheit der Menschen – vor den Fischen sind alle Menschen gleich!“

Über Katrin Otrzonsek

Katrin Otrzonsek ist am 23. August 1988 in Aachen (NRW) geboren. Sie besuchte das St. Leonhard Gymnasium und erlangte 2007 ihr Abitur. Anschließend studierte sie an der RWTH Aachen Philosophie und Germanistische & Allgemeine Literaturwissenschaft. 2010 schloss sie das Studium mit dem Bachelor of Arts ab. Ihre Bachelor-Thesis schrieb sie im Rahmen des Seminars Film- und Fernsehanalyse. Seit Herbst 2010 studiert sie an der Medienakademie WAM in Dortmund Radio- und TV-Journalismus / Moderation. Seit 2011 arbeitet sie als freie Journalistin für die Aachener Nachrichten. Zeige alle Beiträge von Katrin Otrzonsek

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